„Ich kann doch nicht nein sagen“, hast du dir vielleicht auch schon gelegentlich gedacht. In diesem Beitrag gehe ich darauf ein, warum es manchmal so schwer ist, nein zu sagen und wie du es dennoch lernen kannst.
Ein wundervolles Beispiel, wie schon Kinder lernen, nein zu sagen, bevor ihre Grenzen überschritten werden.
Ein wirklich berührendes (und gleichzeitig ernstes) Beispiel dafür, wie wichtig es ist, nein sagen zu können und es auch zu lernen, wenn es nicht so leicht über die Lippen kommt, ist das Theaterstück „Mein Körper gehört mir!“. Ich durfte miterleben, wie wundervolle Schauspielerinnen und Schauspieler Kinder für das Thema sexueller Missbrauch sensibilisieren und vor allem darin bestärken, ihre Grenzen zu spüren und ganz klar und deutlich und im Notfall sehr laut zu verteidigen.
Mit den Kindern wurde spielerisch erarbeitet, dass die Grundlage für die Fähigkeit, überhaupt nein sagen zu können, darin liegt, zu spüren, ob sie ein „Ja-Gefühl“ oder ein „Nein-Gefühl“ haben. Das Bild eines „Ja-Gefühls“ und eines „Nein-Gefühls“ ist auf viele, vielleicht alle Bereiche des Lebens anwendbar. Denn im Grunde geht es ja damit los – zu spüren, ob ich ein innerliches Ja oder Nein erlebe.
Bevor wir uns damit befassen, wie du ein Ja oder Nein erkennen kannst, habe ich einmal 10 Beispielsituationen zusammengefasst, in denen Menschen (vielleicht auch du) schon einmal ja gesagt haben, obwohl ein „Nein“ die bessere Antwort gewesen wäre.
Typische Fallen, in denen nein sagen wichtig ist, wenn du Stress abbauen und mehr Zeit für dich haben möchtest.
- „Schatz! Kannst du noch schnell meine Hemden bügeln? Das geht dir so viel schneller von der Hand als mir.“ Oh, er schaut so lieb! Na ja, ich bin ja wirklich schneller. Das bisschen Yoga heute Abend lohnt sich eh nicht mehr.
- „Mami! Bitte lies weiter! Es ist gerade sooooo spannend!“ Du liest weiter, obwohl du wirklich Zeit für dich brauchst. Na gut, ein bisschen noch. … Eine Stunde später liest du immer noch oder bist im Kinderbett eingeschlafen. Einerseits süß und schön, andererseits oft nicht wirklich erholsam.
- Du nimmst es dir ganz fest vor. Dieses Jahr nicht! Nicht noch ein Jahr Elternvertretung! Dann sitzt du im Elternabend und alle schauen dich mit hoffnungsvollen Gesichtern an. Die Lehrerin drückt ihre Dankbarkeit aus und du merkst, hier nein zu sagen ist echt schwer. Gegen so viel Zuneigung kannst du einfach nichts machen. Herzlichen Glückwunsch zu einem neuen Jahr Elternvertretung!
- Es ist Sonntagnachmittag. Du hast dich die ganze Woche darauf gefreut, um xy zu tun. Plötzlich: „Mama, können Susi und Mia noch schnell vorbeikommen? Wir wollen einen Zauberstab basteln. Kannst du uns helfen?“
- Du sitzt im Teammeeting und es wird ein neues Projekt gestartet. Du als eine der zuverlässigsten Kolleginnen bist fix dafür eingeplant. Was übersehen wurde, du hast schon 5 Projekte am Laufen und schaffst nur mit Mühe und zum Preis von Erschöpfung und Gereiztheit zu Hause, alles so zuverlässig zu erledigen. Aber du kannst doch nicht nein sagen. Das wäre ja unkollegial, oder?!
- „Mama! Die Lotta hatte zu ihrem Geburtstag so einen tollen Geburtstagskuchen mit in der Schule! Ich will auch so einen, bitte, bitte!“. Was tust du? Selbst gebackener Geburtstagskuchen à la „Is this Cake“? Oder: „Du hör mal, bis morgen gehen sich Muffins aus oder wir backen am Wochenende gemeinsam und du nimmst den Kuchen am Montag mit in die Schule. Was möchtest du?“
- Die Kids spielen Nintendo. Vereinbarte Spielzeit ist vorbei und die Verhandlungen beginnen. Bleibst du beim, nein, die Zeit ist um oder kommt dir ein ja, na gut noch … Minuten über die Lippen (und das dreimal in Folge).
- Du gehst durch die Wohnung. Überall liegen sie verstreut. Socken, Pullis, das Lieblingskleid. Es geht ja so viel schneller, wenn du die auf dem Weg zur Waschmaschine gleich noch mitnimmst. Das ist ein „Ja, ich räume für euch auf“!
- Das Essen ist vorbei. Plötzlich sind alle weg und tun, was ihnen gefällt. Du? Räumst wie selbstverständlich den Tisch ab. Auch das ist ein „Ja“ zu diesem Miteinander. Magst du es vielleicht anders? Wünschst du dir Unterstützung? Dann bedarf es ein „Nein!“. Ich möchte nicht alleine abräumen. Bitte helft mit …
- Deine Mutter: „Ihr kommt am Sonntag doch zum Mittagessen? Wir haben euch schon so lange nicht mehr gesehen.“ Das letzte Mal war letzte Woche. Du bist inzwischen 35, verheiratet und hast eine eigene Familie. Geplant war ein fauler Tag zu Hause. Fährst du 150 km zum Mittagessen zu deinen Eltern, obwohl du ein deutliches Nein-Gefühl hast?
- „Kommst du mit in diesen neuen Club?“ Fragt deine beste Freundin. Eigentlich sind Clubbesuche so gar nicht dein Ding. Aber kannst du sie mit einem „Nein, keine Lust“ enttäuschen??
Und es gibt so viele mehr. Jede:r kennt sie. Und: Es ist total menschlich, dass wir uns immer wieder mal in derartigen Situationen wiederfinden und manchmal nicht recht wissen, wie wir da reingeraten sind. Doch lass uns nun schauen, was uns davon abhält, selbstbewusst Nein zu sagen.
15 mögliche Gründe, die dich davon abhalten, klar und deutlich nein zu sagen und deine Grenzen zu wahren:
„Warum hast du nicht nein gesagt?“. Diese Frage wurde dir vielleicht auch schon gestellt – durch deine beste Freundin, deinen Partner, eine Kollegin oder sogar deine Kinder. Und vielleicht hast du dich das selbst schon oft gefragt.
Tatsächlich ist nein sagen für viele Menschen gar nicht so leicht. Und es gibt viele verschiedene und vor allem ganz persönliche Gründe, warum wir manchmal „Ja!“ sagen, obwohl wir „Nein!“ meinen. Ich habe nachfolgend ein paar zusammengefasst:
- Nicht spüren, ob ein Ja oder Nein die richtige Entscheidung ist
- Sorge, sonst nicht gemocht zu werden
- Angst, die Verantwortung für die eigene Entscheidung zu übernehmen
- der Gedanke „Ich kann es eh besser und schneller“ (z. B. Bügeln)
- schlechtes Gewissen, wenn einem Wunsch anderer nicht nachgekommen wird (das wäre ja auch wirklich unhöflich,
- wenn ich nicht noch schnell für Frau Meier 3 Kisten Wasser heimtrage)
- sozialer Druck (30 paar hoffnungsvolle Elternaugen bei der Wahl des Klassenvertreters)
- nicht enttäuschen wollen (den Chef, die Kinder, den Partner)
- der Glaube, unersetzlich zu sein (ohne mich bricht zu Haus und im Büro alles zusammen, daher gehe ich lieber nicht zum Yoga oder zum Friseur oder zum Arzt oder ….)
- der Glaube, etwas Besonderes leisten zu müssen, um Anerkennung zu finden
- die Illusion, dass andere doch sehen, was du brauchst und darauf Rücksicht nehmen
- Scheu vor Konflikten (ein „Nein!“ kann zu Irritation und auch mal zu Diskussionen führen – besonders, wenn es ein gewohntes „Ja, klar“ ersetzt)
- ein ständiges „Nie-genug-Gefühl“ als inneren Antreiber
- die Illusion, dass es möglich ist, irgendwann alle Aufgaben und To-dos erledigt zu haben, um danach Pause zu machen und sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen
- es wurde schlicht nicht gelernt, dass es ok und wichtig ist, Nein zu sagen, wenn es den eigenen Bedürfnissen und Werten widerspricht
Letztlich haben unsererErziehung und das soziale Umfeld, in dem wir aufwachsen, einen großen Einfluss darauf, ob und wie wir unsere Bedürfnisse und Grenzen spüren, ausdrücken und verteidigen können.
Hinter all den im Vorfeld genannten Aspekten liegt eben auch unser Eingebettet-Sein in ein soziales Netz. Und es ist sehr wichtig zu lernen, sich einzufügen, zu kooperieren und die eigenen Bedürfnisse zeitweise zurückzustecken, um zu überleben. Denn das können wir alleine nicht. Zudem gibt es Lebensphasen wie die Elternschaft, in denen wir auch gern mal „zurückstecken“. Schwierig wird es, wenn wir nicht ermutigt und unterstützt werden, den Fokus auch immer wieder auf uns und unser Wohlbefinden, unsere Grenzen zu richten.
Die genannten Hindernisse sollen deine Neugier wecken und dein Bewusstsein schärfen. Denn was uns bewusst ist, mit dem können wir umgehen und Veränderungen anstreben.
Daher: Was hält dich wohl davon ab, klar nein zu sagen, wenn es notwendig wäre?
5 Impulse, wie du nein sagen lernen und entspannter und selbstbestimmter durchs Leben gehen kannst:
Sei freundlich zu dir!
Es kann so leicht passieren, dass wir reintappen in die stressende „Ja-sage-Falle“. Solltest du dich darin wiederfinden, mach dir doch mal bewusst, dass es vielen Menschen so geht und dass es nichts mit persönlichem Versagen zu tun hat. Mir gefällt der Gedanke, dass alle Menschen zu jeder Zeit immer ihr Bestes tun, um mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, eine Situation gut zu bewältigen. Zu einer anderen Zeit würden sie vielleicht anders handeln, aber in diesem Moment war es eben so. Das heißt auch, dass du dieses Mal vielleicht ja gesagt hast, das nächste Mal aber auch nein sagen kannst. Nichts ist in Stein gemeißelt.
Also schenke dir gern ein freundliches Lächeln und erlaube dir einfach, menschlich und nicht Superwoman zu sein. Sollte dir das schwerfallen, weil du allzu kritisch auf dich schaust, stelle dir doch mal vor, was du deiner besten Freundin in dieser Situation sagen würdest. Würdest du sie fertigmachen oder freundlich zu ihr sagen „Kopf hoch, du bist eh toll!“?
Schärfe deine Wahrnehmung!
Dies ist sicher für viele Menschen ein wertvolles Übungsfeld. Im Alltagstrubel sind wir häufig von unseren körperlichen Empfindungen und Bedürfnissen abgeschnitten, weil wir mit der Aufmerksamkeit sehr im Außen sind und uns von inneren Plänen, To-dos und Problemen, die es zu lösen gilt, lenken lassen. Dadurch spüren wir schlicht manchmal einfach nicht genau, ob sich in uns ein „Ja-Gefühl“ oder ein „Nein-Gefühl“ zeigt. Aber das Gute ist, wir können uns darin üben, die Signale unseres Körpers zu erkennen und zu deuten.
Daher erforsche doch mal in einer Situation, in der du ein eindeutiges Ja-Gefühl hast, wie sich dein Körper dann anfühlt, was du dabei denkst, welche Emotionen du wahrnimmst. Das Gleiche kannst du bei einem eindeutigen „Nein-Gefühl“ machen. Mit der Zeit erkennst du die Signale deines Körpers immer besser und hast somit die Grundlagen geschaffen, Entscheidungen heilsamer zu treffen.
Sei Detektivin!
Mein Lieblingsimpuls, denn wenn du dir bewusst wirst, in welchen Momenten du besonders dazu neigst, ja zu sagen, obwohl du vielleicht ein Nein-Gefühl hast, kannst du dich zunehmend darauf vorbereiten und ganz konkret in diesen Momenten üben, eine selbstbewusst und authentische Neinsagerin zu werden. Daher hole die Detektiv-Kappe aus dem Schrank, schnapp dir Lupe und Pfeife (oder was auch immer du für einen entspannten Detektivjob brauchst) und gehe auf die Suche:
- In welchen Kontexten fällt es dir schwer, nein zu sagen? Zu Hause, im Büro, ganz egal?
- Bei welchen Menschen kommt dir ein Nein schwer über die Lippen?
- In welchen „Seins-Zuständen“ bist du besonders anfällig für ein ungewolltes Ja? Wenn du müde, hungrig, gestresst bist?
- Was könnten Gründe sein, dass es dir nicht gelingt, nein zu sagen?
- Und ganz wichtig: In welchen Momenten gelingt es dir gut, Grenzen zu setzen? Was ist da anders? Was machst du da anders? Was hilft dir dabei?
Nutze die Ergebnisse deiner Forschung dafür, mit mehr Bewusstsein in diesen Situationen zu handeln. Alleine die Tatsache, dass dir deine Ja-Tendenzen in bestimmten Situationen bewusster sind, kann dazu führen, dass du weniger schnell in die „Ja-Falle“ tappst.
Time-out!
Solltest du mit einer Bitte oder Anfrage konfrontiert werden, schenke dir etwas Bedenkzeit. Mache dir ein genaueres Bild von der Situation und bedenke auch, wie viel Zeit du gerade hast und wie hoch deine Belastbarkeit gerade ist. So kannst du dich z. B. fragen:
- Wer möchte was, bis wann und warum von dir?
- Welche Konsequenzen hätten ein Ja oder Nein für kurzfristig und längerfristig für dich?
- Bist du bereit, diese Konsequenzen zu tragen?
- Welche inneren Antreiber schieben dich vielleicht gerade in Richtung „Ja“ (s. 15 mögliche Gründe, die dich davon abhalten, klar und deutlich nein zu sagen und deine Grenzen zu wahren)? Möchtest du dich ihnen wirklich ergeben?
Übernimm die Verantwortung!
Mach dir klar, dass nur du deine Grenzen setzen und verteidigen kannst. Weder dein Kind noch dein Partner noch die Nachbarin oder der Chef sind verantwortlich dafür, wenn du nicht nein sagst, obwohl alles in dir nach einem Nein schreit. Und auch, wenn du Ja-Gefühle und Nein-Gefühle noch nicht sicher unterscheiden kannst, bist du diejenige, die sich auf den Weg machen darf, sie kennenzulernen.
Und vielleicht hilft es dir auch ein wenig, den Blick zu weiten. Denn du letztlich tust du nicht nur dir etwas Gutes, wenn du lernst, nein zu sagen und deine Grenzen zu wahren. Nein, du sorgst auch dafür, dass du langfristig gut für dein Kind da sein kannst. Dauerhafte Überforderung als Mutter nützt niemandem, weder dir noch deinem Kind. Und mach dir immer wieder auch bewusst, dass du das vielleicht wichtigste Vorbild für diesen noch jungen Menschen bist (zumindest in den ersten Jahren). Wünschst du dir, dass dein Kind voller Selbstvertrauen und Selbstfürsorge „Nein!“ Sagen kann, wenn es sinnvoll ist? Na dann gehe mit gutem Beispiel voran.
Fazit: Glaube dem Gedanken, „Ich kann doch nicht nein sagen.“ nicht automatisch.
Es gibt gute Gründe, warum du auch ja sagen und deine Bedürfnisse und Wünsche zumindest zeitweise zurückstellen solltest. Gleichzeitig ist es für dein Wohlergehen besonders wichtig, gut zu spüren, ob du einem Ja oder einem Nein folgen möchtest. Denn dich selbst auf Dauer aus dem Blick zu verlieren, nützt dir und auch deinen Mitmenschen (besonders den jüngeren) nicht. Daher: Vielleicht merkst du dir folgende zwei Worte, um dem Gedanken „Ich kann doch nicht nein sagen.“ zu begegnen und dir so Zeit zu verschaffen, eine für diesem Moment passende Antwort zu finden: „Sagt, wer?“
Wenn du drei Dinge mitnehmen möchtest, wie wäre es mit diesen?
- „Sagt wer?“ wenn dir der Gedanke kommt, eine Bitte nicht ablehnen zu können, obwohl du gute Gründe hast.
- Werde zur Expertin für deine persönlichen Ja-Gefühle und Nein-Gefühle
- Sie nein sagen lernen als Möglichkeit, dir und anderen etwas Gutes zu tun.
Wenn du mehr darüber wissen möchtest, wie du gelassener und freudvoller durch das (Mama-)Leben gehen kannst, melde dich zu meiner The Challenge YOUth Post an.
Herzensgrüße
Manuela 🌻