
Rastlosigkeit & die
Sehnsucht nach innerer Ruhe
Rastlosigkeit – ein Phänomen unserer Zeit!
Wir leben in einer schnellen, komplexen, digitalisierten und von vielen Menschen zunehmend als bedrohlich erlebten Welt.
Schon Kinder klagen über Stress und für Erwachsene gehört Stress schon zum „guten Ton“. Wer nicht immer irgendwie auf Achse ist oder sein Bestes und sich aufgibt, wird schnell als nicht engagiert genug oder faul abgestempelt.
Und das, obwohl Erschöpfung und stressbedingte Erkrankungen in der Bevölkerung schon lange kein individuelles Problem mehr sind, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Es scheint einfach keinen Raum mehr zu geben für Auszeiten, Ruhe und Regeneration. Zeiten, in denen wir einmal durchatmen, Abstand nehmen und reflektieren können, über uns, unser Zusammensein mit anderen und unsere Lebensträume.
Dabei ist das in unserer digitalisierten Zeit, in der wir mit unzähligen Informationen überflutet werden und immer, überall und vor allem unmittelbar erreichbar sind, umso wichtiger. Denn wir verlieren mehr und mehr den Kontakt zu uns, den Menschen in unserer Umgebung und zur Natur.
Endlich mal zur Ruhe kommen, ist ein starkes Bedürfnis vieler Menschen. Und es ist eine grundlegende Voraussetzung für ein gesundes, vitales und glückliches Leben.
Doch erst, wenn der gesundheitliche Zusammenbruch droht, die Beziehung zu den Kindern leidet oder sich Konflikte in der Partnerschaft nicht mehr leugnen lassen, wenn wir uns in einem Burnout wiederfinden, erst dann wachen wir auf.
Dann wird uns klar, „Ok, etwas muss sich ändern. Und zwar schnell!“.
Da ist es wieder, dieses „Und zwar schnell!“. Und ja, es hat eine gewisse Dringlichkeit, aus dem Hamsterrad des ständigen Tuns und Müssen auszusteigen und förderliche Stressbewältigungsstrategien zu entwickeln.
Denn nur so bleiben wir gesund und können irgendwann glücklich sein, wenn wir … Ja, was eigentlich?
Rastlosigkeit – eine besondere Form von Dauerstress
Rastlosigkeit kann als eine besondere Form von Dauerstress verstanden werden. Es handelt sich um ein permanentes Gefühl des Getriebenseins, welches sich auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene zeigen kann.
Dabei erleben Menschen Rastlosigkeit unterschiedlich, wobei folgende Erlebens- und Verhaltensweisen sehr häufig berichtet werden:
- immer etwas tun müssen – körperlich oder gedanklich
- das Gefühl, der Körper steht unter Dauerstrom
- nicht-enden wollende innere To-do-Listen treiben unaufhörlich an
- auch wenn Gelegenheit wäre, können sich die Betroffenen keine Ruhe gönnen – der Körper (oder Geist) springt quasi wieder auf
- häufig massive Erschöpfung (körperlich und geistig)
- zwischen verschiedenen Aktivitäten wird sich keine Pause oder bewusster Übergang gegönnt, alles fließt nahtlos ineinander über – auch bei bedeutenden Lebensereignissen
- Äußere Reize oder innere To-do-Listen bestimmen, was als nächstes getan wird, und nicht ob das sinnvoll und wichtig ist
- Gereiztheit & Gefühl der Bedrohung, wenn das Tun unterbrochen wird (z. B. Kinder, die von der Schule erzählen wollen; der Kollege, der einen Kaffee trinken möchte)
- ausgeprägte Negativitätstendenz: der Blick für das Schöne und Gelingende im Leben geht verloren
- die Genussfähigkeit ist beeinträchtigt
Insgesamt bleibt das Gefühl: „Das Leben rast an mir vorbei und ich komme nicht hinterher!“
Mögliche Ursachen für Rastlosigkeit
Es gibt verschiedene körperliche und psychiatische Krankheitsbilder, bei denen das Gefühl der Rastlosigkeit und des inneren Getriebenseins ein Symptom ist. In diesen Fällen ist eine ärztliche und/oder psychotherapeutische Behandlung wichtig. Diese Erscheinungsformen sind nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen. Ich beziehe mich auf Rastlosigkeit als besondere Form des chronischen Stresserlebens, welche auch körperlich und psychisch gesunde Menschen betreffen kann.
Die Hintergründe von Rastlosigkeit als Form eines chronischen Stresserlebens sind individuell verschieden. Meist handelt es sich um ein Gemisch aus äußeren Stressoren und persönlichen Stressverstärkern, welches eine Stressreaktion auslöst, die im Gefühl der Rastlosigkeit und des Getriebenseins zum Ausdruck kommt.
Typische äußere Stressoren unserer Zeit sind z. B.: Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit, digitale Reizüberflutung, Social Media-Druck, zunehmende Leistungsanforderungen; soziale Konflikte im persönlichen Umfeld, aber auch gesellschaftlich; Bedrohungen durch nahe Kriege, …
Beispiele für persönliche Stressverstärker sind: Ungeduld, Perfektionismus, Kontrollstreben, Selbstüberforderung, Selbstkritik, antreibende Glaubenssätze wie “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!”; Unterdrückung unangenehmer Gefühle, …
Wichtig an dieser Stelle ist, dass die Stressreaktion evolutionsbiologisch eine wichtige Funktion hat. Sie soll unser Überleben sichern, wenn wir mit lebensbedrohlichen Gefahren konfrontiert werden. Denn sie macht uns kampf- oder fluchtfähig. Wenn wir an die ersten Menschen denken, ging es hier z. B. um die Auseinandersetzung mit wilden Tieren, Naturgewalten, fremden Stämmen.
Wir modernen Menschen befinden uns zum Glück nur noch selten in wirklich lebensbedrohlichen Situationen. Was uns stresst sind eher psychische „Bedrohungen“ wie der oben genannte Zeit- und Leistungsdruck, eigene zu hohe Ansprüche, der Chef, die Kollegin, Kinder und Arbeit unter einen Hut bringen müssen, …
Das Problem: Unser Körper reagiert immer noch, wie vor vielen tausend Jahren. Er wird durch die Stressreaktion mit Energie und Kraft für Kampf oder Flucht versorgt. Aber wir können diese Energie gar nicht ausnutzen! Wir müssen z. B. den grantigen Chef aushalten, weil wegrennen oder niederschlagen geht nicht. Und so geht es uns mit unzähligen kleinen Ärgernissen im Alltag. Wir bleiben in dieser Stressreaktion gefangen.
Da sich viele Menschen heute grundsätzlich viel zu wenig bewegen und „auspowern“ bleibt die zur Verfügung gestellte Energie im Körper und es fällt uns schwer zur Ruhe zu kommen.
Aber was lässt uns zur Ruhe kommen & das Leben wieder genießen
Kulturelle Vergleiche und Studien legen nahe, dass innere Ruhe, Gelassenheit und Glück durch eine achtsame und positive innere Haltung sich selbst und dem Leben gegenüber und durch das Finden und Zelebrieren eines persönlichen Lebenssinns unterstützt werden.
Dass unser Lebensglück also viel weniger von äußeren und materiellen Faktoren abhängt, als wir in unserem Kulturkreis vielleicht oft glauben, ist sicher eine gute Nachricht, wenn man den Blick auf die äußeren Herausforderungen unserer Zeit richtet.
Hier wird der Fokus auf das eigene Wahrnehmen und Denken gelenkt – Faktoren, die auch laut Forschung das persönliche Wohlbefinden und Stresserleben maßgeblich beeinflussen.
Menschen aus dem westlichen Kulturkreis neigen dazu, sich selbst über die Maßen anzutreiben und sehr kritisch mit sich umzugehen. Fernöstliche Philosophien üben vielleicht auch deshalb schon seit einigen Jahren einen gewissen Reiz auf sie aus.
Diese Philosophien scheinen einen Lebensweg zu zeigen, der zwar fremd und gleichzeitig als inspirierend und motivierend erlebt wird. Entschleunigung, Achtsamkeit, Verbundenheit, Genießen und Sinn sind Schlagworte, die uns auch in den Medien oft begegnen, die uns berühren und die wir „haben wollen“.
Besonders spannend ist diese Perspektive für Menschen, die nach äußeren Kriterien „alles haben“, was man für ein sicheres, gesundes und zufriedenes Leben benötigen sollte und die sich trotzdem gestresst, getrieben und rastlos fühlen, nicht glücklich.
Letztlich geht es um Balance zwischen Tun und Nicht-Tun
Auch wenn sich rastlose, getriebene Menschen meist nichts sehnlicher wünschen, als endlich mal zur Ruhe zu kommen, geht es am Ende um ein Leben in Balance.
Es geht darum zu lernen, dem bunten Trubel und den Herausforderungen des Menschseins ein innerliches Zurücklehnen, Pausen und Auszeiten entgegenzusetzen, in denen Körper und Geist sich erholen und regenerieren können.
Gesunde und glückliche Menschen sind Menschen, die die mentalen, körperlichen und sozialen Ressourcen haben, sich den vielfältigen Herausforderungen des Lebens zu stellen und daran zu wachsen.
Und dies ist nicht nur auf individueller Ebene zu betrachten. Denn wir „Großen“ sind Vorbidler für die jüngeren, nachfolgenden Generationen.
Es besteht die Hoffnung, dass wir durch das Vorleben gesunder Stressbewältigungsstrategien und einer selbstfürsorglichen und glücksförderlichen Haltung dazu beitragen, dass unsere nachfolgenden Generationen mentale und soziale Ressourcen mitbekommen, mit der sie die Welt als einen lebenswerten Ort erhalten können.
Wir können Stress in unserem Leben nicht vermeiden und das zu versuchen, wäre auch gar nicht sinnvoll. Das Leben ist und bleibt unberechenbar, egal, wie sehr wir uns bemühen, es nach unseren Bedürfnissen zu organisieren und zu kontrollieren.
Was wir aber lernen können, ist, uns anders auf das wilde und bunte Leben zu beziehen. Oder wie Jon Kabat-Zinn es formuliert: “Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen!”
In diesem Sinne wünsche ich allen rastlosen und getriebenen Menschen:
„Lern to rest, not to quick!“
Wenn du weiterführende Fragen oder Interesse an einer Zusammenarbeit mit mir hast, nimm gern Kontakt zu mir auf.